Häufigkeit von Psychotherapie
Prof. Dr. Klaus Grawe schrieb schon 2004 in seinem Buch “Neuropsychotherapie” zu dem Thema wie oft Psychotherapie angewendet werden sollte:
“Was Intensität und Massierungen therapeutischer Einflüsse angeht wird man in der Psychotherapie vielleicht umdenken müssen….. Die Möglichkeit besteht, dass viele der heutigen therapeutischen Bemühungen, hartnäckiges Problemverhalten zu verändern, deshalb nicht zum Erfolg führen, weil die Einwirkungen zwar im Prinzip richtig, aber nicht intensiv und massiert genug sind”.
Siebzehn Jahre später, 2021, stellen Schleider, Dobias, Mullarkey und Ollendick in ihrem Aufsatz “Retiring, Rethinkung and Reconstructing the Norm of Once-Weekly Psychotherapy” die wissenschaftliche Grundlage für eine Psychotherapie einmal pro Woche in Frage und plädieren für einen individualisierten Ansatz, der insbesondere auch intensive Kurzpsychotherapien favorisiert.
Um die Jahrtausendwende begannen wir in unserer Klinik für Psychotherapie und Psychosomatische Medizin auf Mallorca mit dem Konzept einer individualisierten, intensiven Einzelpsychotherapie – in der Regel zwei Stunden täglich, Manchmal sogar noch mehr! Damit konnten wir die Therapiezeiten insgesamt deutlich reduzieren. Eine Therapie bei uns dauert in der Regel zwischen 10 Tagen und 3 Woche. Die Ausfallzeiten bei der Arbeit reduzierten sich gegenüber den gängigen mehrwöchigen stationären Behandlungen bei schwereren Erkrankungen. Und wir haben stabile Ergebnisse! Bei mehreren Nachuntersuchungen konnten wir feststellen, dass auch mehrere Jahre nach Therapieende die grosse Mehrzahl unserer Patienten deutlich gebessert ist und sich stabilisiert hat.
Auch bei Suchterkrankungen, bei denen wir die Wahl zwischen Abstinenz und kontrolliertem Konsum als Therapieziel freistellen, gehen Rückfälle in altes Verhalten deutlich zurück und es konnte entweder eine Abstinenz oder ein signifikant reduziertes Konsumverhalten erreicht werden. Bei Suchterkrankungen nutzen wir neuerdings auch die dissoziative Wirkung von Ketamin um das Suchtgedächtnis zu überschreiben. Damit gelingt es oft sogar, schwerste Kokain- oder Alkoholabhängikeit in kurzer Zeit zu durchbrechen.
Inzwischen haben wir unser Konzept der intensiven Psychotherapie um mehrere zusätzliche Module erweitert:
Ketamininfusionen fördern die Neuroplastizität und erhöhen damit die Lernfähigkeit. Schwer depressive Patienten, die vorher nicht von Psychotherapie profitieren konnten, sind auf einmal in der Lage sich in einen psychotherapeutischen Prozess einzulassen und Lebensveränderungen vorzunehmen.
Repetitive transkranielle Magnetstimulation wirkt deutlich antidepressiv und verbessert sogar bei dementen Patienten die Lern- und Merkfähigkeit.
Ähnlich wirkt Neurofeedback, mit dem sowohl Entspannung als auch Konzentrationsfähigkeit trainiert werden kann.
Und Bewegung im Rahmen einer individualisierten Sporttherapie reduziert nicht nur Ängste und Depression, sondern senkt auch den Blutdruck und verbessert die Immunabwehr.
Das alles ist wissenschaftlich fundiert. Es geht hier nicht um obskure Aussenseiterverfahren, sondern um evidenzbasierte Medizin auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft. Zahllose medizinische Studien belegen dieses Vorgehen.
Veränderungen in der Psychotherapie geschehen langsam. Es gibt “Therapieschulen”, die ihre Existenz gegenüber anderen Schulen verteidigen und bei denen es weniger um wissenschaftlich belegte Effizienz als um traditionelle Vorstellungen geht. Dazu schreiben Grawe, Donati und Bernauer bereits 2001 in ihrem Buch “Psychotherapie im Wandel – von der Konfession zur Profession”: “Die Pflege und das Festhalten an Therapieschulen ist prinzipiell unvereinbar mit einem professionellen Selbstverständnis, das sich in erster Linie an der objektiven Qualität der eigenen Arbeitsleistung orientiert. Das ganze therapieschulbezogene Ausbidlungssystem auf dem Gebiet der Psychotherapie ist jedoch auf die Pflege von Therapieformen und nicht auf die Ergebnisqualität der Therapien bezogen, die die Therapeuten dann später durchführen.”